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Café DenkMal Philosophisches Café am 05. Dezember 2025 

Thema: Die Sehnsucht nach Entgrenzung und die Frage, ob es wehtun muss 

Sehnsucht: Substantiv von althochdeutsch senen = kraftlos, unlustig sein. (Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache) 
Grenze: Seine Aufnahme in die Hochsprache verdankt das Wort dem Gebrauch durch Luther. Das alte Wort Mark bedeutet eher Grenzgebiet und passte deshalb nicht mehr zu den modernen Vorstellungen einer Grenze. (Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache) 

Depersonalisation: Gefühl eines Kranken, nicht mehr selbst zu sein. Die Selbstverständlichkeit, zu dem, was man empfindet, spricht oder tut, „ich“ sagen zu können, geht teilweise oder völlig verloren. Kommt vor allem bei Schizophrenie oder schweren Depressionen vor. (Arnold, Eysenck, Meili, Lexikon der Psychologie) 

Schmerz: möglicherweise zurückgehend auf die indogermanische Wurzel smerd = stechen, beißen. Es bedeutet im ursprünglichen leiblichen Sinn die durch die Erregung sensibler Nerven hervorgerufene Empfindung, die sich von den Sinnesempfindungen dadurch unterscheidet, dass sie nur auf den eigenen Körper bezogen wird und zumeist an bestimmte Körperstellen gebunden ist, auf die der schmerzende Reiz einwirkt. (Regenbogen, Meyer, Wörterbuch philosophischer Begriffe) 

Leid: Gegensatz zur Freude. Das Leid braucht nicht eigenes Unglück zum Gegenstand zu haben, sondern kann auch als Mitleid auftreten. Je nachdem, ob man die Wirklichkeit von Leid oder vom Glück und Wert des Seins beherrscht sieht, scheiden sich ihre Wertungen in Pessimismus und Optimismus. Die philosophische Frage, zu der die Tatsache des Leids herausfordert, ist die nach seinen Ursachen und nach seinem Sinn. Angesichts des Leids tritt die Frage auf, wie das Übel mit der Annahme eines vollkommen weisen, gültigen und mächtigen Gottes als Weltschöpfer verträglich ist, das Theodizeeproblem. Die christliche Weltdeutung sieht seine Wurzeln in einem überindividuellen Abfall; entsprechend schließt der Erlösungsglaube das Problem eines stellvertetenden Leidens ein. (Regenbogen, Meyer, Wörterbuch philosophischer Begriffe) 

Es gibt keine tiefere Sehnsucht als diese: die Sehnsucht nach der Erfüllung. Sie kann nicht befriedigt werden. (Kurt Tucholsky) 

Eigentlich ist es ein Glück, ein Leben lang an einer Sehnsucht zu lutschen. (Theodor Fontane)

Leid adelt den Menschen. Nur wer Leid erträgt, wird Glück erfahren. (Dalai Lama) 
Das Leid ist die Feuerprobe des Christentums. (Adolph Kolping)

Meine Sammlung von Lebensweisheiten, Lust und Leid liegen eng beieinander, Grenzüberschreitung kann Lust und Leid liegen eng beieinander. Sie lässt dich spüren, dass du lebst. (Charles Dickens) 

Das Leid ist unendlich, die Freude hat ihre Grenzen. (Honoré Balzac) 

Der Schmerz ist Herr und Sklavin ist die Lust. (Wilhelm Busch)





Café DenkMal Philosophisches Café am 07. November 2025 Thema: Seele und Geist 

Geist: Das Wort wird als Übersetzung von pneuma (lat. spiritus) oder nous (lat. animus, mens, genius) gebraucht. Im deutschen Idealismus und bei den Romantikern bekam es weitere Bedeutungen: Luft, Wind, Äther als unsichtbar Substanz, Hauch und Atem als Träger des Lebens und als Lebensprinzip selbst. Bei Immanuel Kant ist Geist das belebende Prinzip im Gemüte, bei G. W. Fr. Hegel ist Geist zunächst mit Seele gleichgesetzt, dann ist Gott als Persönlichkeit Geist und schließlich ist es die in Natur und Geschichte unsichtbare Macht (Weltgeist). Geist bezeichnet dann auch den menschlichen Verstand, das Denken, die Vernunft und schöpferische Kraft. Viertens bekommt in der Anthropologie (Scheler u.a.) Geist die Bedeutung als das von organischen Funktionen Unabhängige, die Fähigkeit zur Sachlichkeit. Fünftens nutzt man Geist in den Kognitionswissenschaften als Sammelbegriff für mentale Strukturen, Bewusstseinszustände, selbstreflexiv zugängliche Affektzustände und Gefühle wie bewusste Inhalte des Gedachten. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) 

Seele: Psyche bezeichnet bei Homer das Leben der einzelnen Person und auch das Lebensprinzip des Menschen. Er denkt psyche als eine Substanz, die erst mit dem Tod des Körpers ein eigenes Leben erhält. Thales sah in der Seele ein Bewegendes, Pythrgoras in der Seele das Prinzip der Harmonie des Leibes, bei Platon ist die Seele das einheitsstiftende Merkmal des Menschen. Augustinus sah in der Seele eine geistige, unkörperliche, einfache, unzerstörbare, vernunftbegabte und den Körper regierende Substanz. Für Descartes ist die Seele eine geistige Substanz, die von Gott geschaffen mit dem Körper, der materiellen Substanz, nur eine unio compositionis bildet. Ihr Sitz denkt Descartes in der Zirbeldrüse. Hobbes erklärte die Seele als körperlich. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) 


Die Möglichkeit, den eigenen Leib im eigenen Körper zu finden, beruht auf der Unumkehrbarkeit der Richtungen im Ortsraum, die durch Entdeckung der Fläche möglich wird. Von anderer Art ist der naturwissenschaftliche Menschenkörper, ein Konstrukt aus Zahlen, die durch Messungen in der Nähe des sinnfälligen Körpers erhoben werden. (Hermann Schmitz)   

Unter dem Leib-Seele-Problem wird die Schwierigkeit verstanden, wie zwei so diametral entgegengesetzte Wirklichkeiten wie der materielle menschliche Leib und die geistige Seele eine so radikal innere Einheit bilden können, dass sie den einen Menschen bilden. Dies zeigt sich konkret in der Fähigkeit der sinnlichen Wahrnehmung und der willentlichen Bewegung, aber auch bei den von der Psychosomatik untersuchten Einwirkungen seelischer Zustände auf das körperliche Befinden und umgekehrt. Ferner ergibt sich das Leib-Seele-Problem aus der Erfahrung des natürlichen Todes, bei dem der Körper zunächst äußerlich unverändert zurückbleibt, aber nicht mehr belebt ist und deshalb früher oder später der Verwesung anheimfällt. […] Das Leib-Seele-Problem ist nur lösbar, wenn Geist und Materie nicht nur als Gegensatz, sondern auch als aufeinander bezogen aufgefasst werden, und dem Leben eine vermittelnde Position zwischen beiden zuerkannt wird. Dies bedeutet keinen Panpsychismus, sondern die Überzeugung, dass auch die Materie Elemente des Geistigen in sich trägt, was sich schon daran zeigt, dass sie mathematischen Gesetzen gehorcht. (so Schöndorf, in: Brugger Schöndorf, Philosophisches Wörterbuch)




Café DenkMal Philosophisches Café am 03. Oktober 2025 Thema: Voraussetzungen und Bedingungen der Bewusstwerdung   

Bewusst: seit dem 18. Jahrhundert Fachausdruck der Philosophie und Psychologie, gemeint sind nicht sämtliche Erlebnisse, sondern nur die, denen sich die Aufmerksamkeit zuwendet. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) 

Volle Bewusstheit: sie tritt erst ein, wenn ein Erlebnis nicht nur erlebt, sondern zum Gegenstand der Selbstwahrnehmung erhoben wird. Daneben aber bedeutet bewusst auch ein Wissen von einem Gegenstand, auf den wir gerichtet sind, sowohl dort, wo es sich um Gegenstände der Wahrnehmung der Außenwelt handelt, als auch bei Gefühlen und Willensregungen. Es lassen sich vier Bedeutungen des Worts unterscheiden: 1. Im weiteren Sinne jeder von uns registrierte innerpsychisch wirksame Vorgang. 2. Im engeren Sinne ein solcher Vorgang, wenn wir ihm die Aufmerksamkeit zuwenden und ihn zum Gegenstand der Selbstwahrnehmung machen. 3. Die Gegenstände, die sich uns als solche in den psychischen Akten darbieten (intentionales Bewusstsein). 4. Voll bewusst, wenn wir die Dinge im Zusammenhang anschauen und / oder begrifflich fassen und / oder denkend bearbeiten (Bewusstsein in der Bedeutung der Erkenntnistheorie). Im Unterschied dazu wird unbewusst entweder als Grenzbegriff für das ganz schwach oder flüchtig Bewusste und daher nicht Erinnerbare oder für das Fehlen von Zwischengliedern für einen angenommenen Erlebniszusammenhang, wie wir ihn bei der Deutung der bewussten Erlebnisse konstruieren, verwendet. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) 

Bewusstsein: in der Psychologie wird unter Bewusstsein unmittelbar der vorgefundene Gesamtinhalt des seelischen und geistigen Erlebens an Sinneseindrücken, Erinnerungen, Gefühlen, Willensregungen und Gedanken, aber auch der Prozess der Bewusstseinstätigkeit verstanden. Kennzeichen des Bewusstseins sind Einheitlichkeit und ein kognitiver Status für den Zusammenhang der jeweils eigenen Erlebnisse. Man bezeichnet dies als Enge des Bewusstseins. Als physischer Träger des Bewusstseins wird bei den meisten Theorien das Nervensystem angenommen, insbesondere die Großhirnrinde. Insofern das Bewusstsein eine Einheit bildet, deren Gehalt vom Träger als sein Eigentum empfunden wird, wird es als Bewusstsein seiner selbst, seiner Eigenart und seines Wertes zum Selbstbewusstsein. In der modernen Philosophie des Geistes wird u. a. diskutiert, ob das Bewusstsein in seiner angedeuteten Vielschichtigkeit einer objektiven wissenschaftlichen Beschreibung zugänglich ist oder ob es irreduzibel subjektive Eigenschaften hat. Für seine wissenschaftliche Beschreibbarkeit plädiert z. B. D. C. Dennett. In der Erkenntnistheorie ist das Bewusstsein, besonders seit Immanuel Kant, dass wissende Subjekt, das sich von dem gewussten Objekt unterscheiden lässt; das überpersönliche, erkenntnistheoretische Subjekt nennt er das Bewusstsein überhaupt. Es ist als solches das Korrelat aller Bewusstseinsinhalte, die in ihm als Objekte der Erkenntnis auftreten können. Der zuerst von K. L. Reinhold im Anschluss an Immanuel Kant aufgestellte Satz des Bewusstseins besagt, dass alle Wirklichkeit nur als Inhalt des Bewusstseins gegeben und bestimmbar ist.

Bewusstseinsprinzip: dies ist die von René Descartes zuerst vertretene Lehre, nach der die Seele nicht das Lebensprinzip, sondern nur die Trägerin des Bewusstseins ist. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe)

Wir sind gestaltgewordenes Bewusstsein. (Willigis Jäger) 

Das Gedächtnis ist die Fantasie mit Bewusstsein. (Immanuel Kant) 

All unser Wissen ist immer an das Bewusstsein gebunden. (Sigmund Freud) 

Die gewöhnlichste Form des Wissens ist die ohne Bewusstheit. Bewusstheit ist Wissen um ein Wissen. (Friedrich Nietzsche) 

Allzu viel Bewusstheit tötet den echten Willen, den instinktiven Drang zur Tat und lässt nur das bloße Wollen zurück. (Oswald Spengler)


Café DenkMal Philosophisches Café am 05. September 2025 

Thema: Erfahrung und Vorwegnahme der Zukunft. Zu einer konstruktiven Regression 

Regression: ist ein innerer Abwehrmechanismus, der in der Regel dann auftritt, wenn andere Abwehrmechanismen nicht ausreichen, um einen von der realen oder psychisch introjizierten Umgebung aufgenötigten Befriedigungsverzicht zu erzielen und aufrecht zu erhalten. (nach Arnold, Eysenck, Meili, Lexikon der Psychologie)

Erfahrung:  zuerst bei Paracelsus für lateinisch experientia gebraucht, es wird allgemein als das mit den Organen der Sinneswahrnehmung Erkundete verstanden, im Unterschied zu bloß Gedachtem Rationalismus), auf Autorität Angenommenem (Dogmatismus) und geschichtlich Überliefertem (Tradition); daher im neuzeitlich wissenschaftlichen Denken sowohl der Weg (Methode) als auch das Ergebnis des auf Wahrnehmung, Beobachtung und Experiment beruhenden Forschens und Erkennens (Empirie). (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) 

Zukunft: Dimension der Zeit; im Unterschied zur Gegenwart das zu Erwartende, noch nicht Realisierte, auf uns Zukommende; als Gegenstand einer philosophischen Reflexion vor allem in der Geschichtsphilosophie und in Utopien behandelt; in der Existenzphilosophie (Heidegger, Sartre) Dimension der Zeitlichkeit im Entwurf des Daseins auf Möglichkeiten hin. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) Ewiges Leben – eine unrealistische Regression des psychisch Unreifen. (Sigmund Freud) Die Maske des Erwachsenen heißt Erfahrung. (Walter Benjamin) Wir gewinnen im Leben bestenfalls eine einzige wesentliche Erfahrung, und das Geheimnis der Lebenskunst besteht darin, diese Erfahrung möglichst oft zu reproduzieren. (Oscar Wilde) Es ist nicht genug, die Erfahrungen zu zählen: man muss sie auch wägen und ordnen. Man muss sie verdauen und erwägen, damit man aus ihnen die Gründe und Schlüsse ziehen kann, die aus ihnen zu ziehen sind. (Michel de Montaigne) Erfahrung macht bedenklich. (Horaz) Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen, sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein. (Perikles) Was sich im Geist ereignet, ist Vorbereitung einer sich ausbildenden Zukunft, und diese Zukunft sind wir selber. (Bettina von Arnim) Für die Zukunft leben zu wollen, - ist ein Knabentraum, und nur wer für den Augenblick lebt, lebt für die Zukunft. (Heinrich von Kleist) Das Einordnen ist der Erkenntnismodus der verwalteten Welt: Erfassen, Feststellen, Ablegen. Es bringt die Begriffe um ihre Vitalität, indem es sie zu Etiketten macht – zu sprachpolitischen Instrumenten, die das zeitsparende Abchecken erleichtern und von weiteren Suchbewegungen wirksam entlasten. (Ralf Konersmann) Die Moderne braucht Leute, die bereit sind, abzuweichen und aus der Höhle des Jargons herauszutreten. (Ralf Konersmann) Die moderne Gesellschaft entlässt die Einzelnen in die Selbständigkeit; genau damit aber fordert sie sie dazu auf, die Entscheidung über ihre Stellung in der Welt nun selbst in die Hand zu nehmen und eine Haltung an den Tag zu legen, die Missverständnisse ausschließt. (Ralf Konersmann)
Café DenkMal Philosophisches Café am 01. August 2025 Thema: Fortschrittsglaube, Zukunftsangst und das Recht aufs Analoge Fortschritt: seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlich zur Bezeichnung der stetigen Entwicklung zum Höheren, Vollkommeneren, Wertvolleren, Besseren, Zweckmäßigeren in der Natur und in der Menschheit. (nach Meyer, Regenbogen, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) Zukunft: Dimension der Zeit; im Unterschied zur Gegenwart das zu Erwartende, noch nicht Realisierte, auf uns Zukommende; als Gegenstand philosophischer Reflexionen vor allem in der Geschichtsphilosophie und in Utopien behandelt. In der Existenzphilosophie, insbesondere bei M. Heidegger und J. P. Sartre ist die Bedeutung auf die Dimension der Zeitlichkeit im Entwurf des Daseins auf Möglichkeiten hin gemeint. (nach Meyer, Regenbogen, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) Angst: das Gefühl der Enge, der Zustand des Beengt-, des Bedrohtseins, wobei jedoch weniger das Wovor, das Objekt, das die Gefahr in sich birgt, wie bei der Furcht, als das Worum, das gefährdete Subjekt in seinem wesentlichen Sein selbst, in Frage steht. In der neueren Philosophie spielt der Begriff der Angst, namentlich im Zusammenhang mit Spekulationen über Abgrund, Nichts, Unendlichkeit u. a. eine große Rolle. Kierkegaard sieht die Angst als Möglichkeit der Freiheit. Bei Heidegger ist die Angst eine Grundbefindlichkeit der menschlichen Existenz. (nach Meyer, Regenbogen, Wörterbuch der philosophischen Begriffe)   Das altmodische Wort Zufriedenheit mit sich und der Welt ist, trotz allem Fortschrittsglauben, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, der Schlüssel zum Geheimnis des Glücks. (Nicolas Chamfort) Der bedingungslose Fortschrittsglaube, der Aberglaube unserer Zeit. (Helmut Glaßl) So kurz ist die Gegenwart zwischen Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsangst. (Raymond Walden) Hoffnung ist analog, Hoffnungslosigkeit digital. (Georg Skrypzak) Der virtuelle Follower ist ein analoges Schaf. (Huey Colbinger) Digitale Auszeiten sind analoge Mehrzeiten. (Helmut Glaßl) Die Auslegung ist nicht Kenntnisnahme des Verstandenen, sondern die Ausarbeitung der im Verstehen entworfenen Möglichkeiten. …Das die ausgezeichnete Möglichkeit aushaltende, in ihr auf sich Zukommen-lassen ist das ursprüngliche Phänomen der Zukunft. (Martin Heidegger) Man darf unter Zukunft nicht ein „Jetzt“ verstehen, das noch nicht wäre. …Die Zeit ist das, was ich zu sein habe, insofern ich vermag, es nicht zu sein. …In diesem Sinn ist die Zukunft der Vergangenheit streng entgegengesetzt. Zwar ist die Vergangenheit das Sein, das ich außerhalb von mir bin, aber es ist das Sein, das ich ohne Möglichkeit bin, es nicht zu sein. …Das bedeutet, dass die Zukunft den Sinn meines gegenwärtigen Für-Sich konstituiert als den Entwurf seiner Möglichkeit, dass sie jedoch keineswegs mein künftiges Für-Sich vorausbestimmt. …Ich bin meine Zukunft in der konstanten Perspektive der Möglichkeit, sie nicht zu sein. …Die Zukunft ist nicht, sondern sie vermöglicht sich.“ (J. P. Sartre) Die beste Vorbereitung der Zukunft liegt in der Güte des gegenwärtigen Zustandes, der durch seine inneren Eigenschaften sich fortzusetzen verspricht.“ (Hans Jonas.)


Café DenkMal Philosophisches Café am 04. Juli 2025
Thema: Langeweile und Muße als Provokation 

Muße: griechisch scholé, lateinisch otium, ursprünglich das Freisein von Staatsgeschäften und von Verpflichtungen im Haushalt. Bei Plato ist die Muße die Voraussetzung für die Schau der Dinge und damit eine der Bedingungen für die philosophische Betätigung. Bei Aristoteles ist sie die höherwertige Lebensform gegenüber der Arbeit. Seitdem in der Neuzeit geistige Betätigung als Arbeit begriffen wird, wird Muße abgewertet als Müßiggang. Mit der Durchsetzung des bürgerlichen Denkens wird die Berufsarbeit als Erwerbstätigkeit erster Sinn des Lebens. (nach Meyer, Regenbogen, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) 

Langeweile: ein psychologischer Zustand verbunden mit einer Monotonie der Umgebung und zu beschreiben durch negative Affekte. Verlust des Interesses, flukturierende Aufmerksamkeit, geringen Aktivationsgrad und beeinträchtigte Effizienz bei der Arbeit. Im Extremfall kann Langeweile Symptome hervorbringen, die von Depression bis Erregung und Halluzinationen reichen. (Arnold, Eysenck, Meili, Lexikon der Psychologie) 

Ich glaube nämlich, dass in der Welt viel zu viel gearbeitet wird, dass die Überzeugung, Arbeiten sei an sich schon vortrefflich und eine Tugend, ungeheuren Schaden anrichtet, und dass es nottäte, den modernen Industrieländern etwas ganz anderes zu predigen, als man bisher gepredigt hat. (Bertrand Russell) 

Ohne die Klasse der Müßiggänger wären die Menschen heute noch Barbaren. (Bertrand Russell)

Interessant ist, daß das Wort Langeweile in seiner zusammengesetzten Form erst im 18. Jahrhundert auftritt und gebräuchlich wird, wie das Grimmsche Wörterbuch beweist. (Roman Bleistein) 

Die Langeweile signalisiert, daß es mit der Humanität der Industriegesellschaft nicht zum besten bestellt ist. (Roman Bleistein) 

Langeweile ist Hunger. (Novalis) 

Dauerndes Glück ist Langeweile. (Oswald Spengler) 

Langeweile ist eine böses Kraut, aber auch eine Würze, die viel verdaut. (Johann Wolfgang von Goethe) 

Langeweile hängt zusammen mit den den Menschen immer wieder beschäftigenden Fragen nach der Zeit, nach dem Wert, nach dem Sinn der Welt und des eigenen Lebens überhaupt. (Roman Bleistein) 

Langeweile signalisiert – trotz der Fülle der Erlebnisse – einen Wirklichkeitsverlust. (Roman Bleistein) 

Muße und Langeweile unterscheiden sich also wesentlich dadurch, daß Muße ein positives, geordnetes, erfüllendes Verhalten zur Außenwelt darstellt, Langeweile hingegen ein negatives, gestörtes, frustrierendes Verhalten. (Roman Bleistein)

Habet Muße und erkennet, dass ich Gott bin. (Psalm 45,11) 

Muße ist die Haltung des empfangenden Vernehmens, der anschauenden, kontemplativen Versenkung in das Seiende. (Josef Pieper) 

In der Muße ist überdies etwas von der Heiterkeit des Nichtbegreifenkönnens, von der Anerkennung des Geheimnischarakters der Welt, von der Starkherzigkeit des blinden Vertrauens, das den Dingen ihren Lauf zu lassen vermag; es ist etwas darin von dem Vertrauen auf das Fragmenthafte, das eben das Leben und das Wesen der Geschichte bildet. (Josef Pieper)



Café DenkMal Philosophisches Café am 06. Juni 2025 
Thema: Ekstase in Strukturen: Religiosität 

Struktur: lat structura von struere = bauen, aus der Bautechnik herkommend wurde der Begriff in der Antike ursprünglich in der Anatomie gebraucht, analog zur allgemeinen Bedeutung für das Gefüge, den Aufbau eines zusammengesetzten Bildes nach einer leitenden Idee oder auf Grund eines beherrschenden Faktors. In der Chemie bedeutet Struktur die Lage der Atome im Molekül; in der Biologie die organische Gliederung. Der ursprünglich teleologisch gemeinte Begriff wies auf eine vitalistische Lebensauffassung hin. Drittens bedeutet Struktur in der Psychologie das Gefüge der seelischen und geistigen Anlagen, das ein Ganzes bildet und individuell oder typisch verschieden ist. W. Dilthey führte den Begriff als Anordnung, nach welcher im entwickelten Seelenleben unterschiedlich psychische Tatsachen regelmäßig durch innere erlebbare Beziehungen miteinander verbunden sind. (nach Meyer, Regenbogen, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) 

Lachen ist die eigentliche Religion. Ernst ist nie religiös, kann nicht religiös sein. Ernst kommt aus dem Ego, gerade das macht die Krankheit aus… Religion kann nichts anderes sein als eine Feier des Lebens… Das ganze Spiel des Daseins ist so schön, dass Lachen die einzige Antwort darauf sein kann. Nur Lachen kann wirkliches Beten sein – die einzige wirkliche Dankbarkeit. (Osho) 

Tage ohne Struktur sind wie Glatteis auf dem Lebenspfad. (Raymond Walden) 

Ärzte: Wissen möchtet ihr gern die geheime Struktur des Gebäudes, und ihr wählt den Moment, wenn es in Flammen gerät. (Friedrich von Schiller) 

Unreinlichkeit, schlotteriges Wesen gehören nicht zur Religiosität; weder 1. Petrus 3.3.4, noch ein anderer Text der Schrift verdammt Nettigkeit der Kleidung; diese ist nichts weniger als Sünde, sie ist sogar Pflicht! Sauberkeit ist in der Tat nahezu Religiosität. (Rowland Hill) 

Auch die Verzweiflung hat ihre Ekstase. (Victor Hugo) 

Wenn die Zuhörer nicht gleich in Ekstase geraten, denk ich: Da haben wir’s! einmal wieder etwas Missglücktes! Und geraten sie in Ekstase, dann denk ich: Sie verstehen nichts. (Marie von Ebner-Eschenbach) 

Wirkliche und wahre Religiosität ist nicht lediglich betrachtend und beschauend, nicht bloß brütend über andächtigen Gedanken, sondern sie ist notwendig tätig. (Johann Gottlieb Fichte)

Die Religiosität führt sich biologisch auf die lang anhaltende Hilflosigkeit und Hilfsbedürftigkeit der kleinen Menschen Kindes zurück, welches, wenn es später seine wirkliche Verlassenheit und Schwäche gegen die großen Mächte des Lebens erkannt hat, seine Lage ähnlich wie in der Kindheit empfindet und deren Trostlosigkeit durch die regressive Erneuerung der infantilen Schutzmächte zu verleugnen sucht. (Sigmund Freud) 

Wir leiden alle unter demselben geistigen Verhängnis. Wir haben alle unsere Namen vergessen. Wir haben alle vergessen, was wir wirklich sind. Alles, was wir gesunden Menschenverstand und Rationalität und Praktikabilität und Positivismus nennen, heißt nur, dass wir während gewisser toter Phasen unseres Lebens vergessen, dass wir vergessen haben. Alles, was wir Geist und Kunst und Ekstase nennen, heißt nur, dass wir einen schrecklichen Moment lang daran erinnern, dass wir vergessen. (G. K. Chesterton)    


Café DenkMal Philosophisches Café am 02. Mai 2025 Thema: Begeisterung und Selbstaufgabe oder Ekstase?

Begeisterung: Seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlich für Enthusiasmus (lat. inflammatio animi); die Begabung mit Geist, im religiösen Sin die Erfüllung mit göttlichem Geist, allgemein die Steigerung der Erlebnis- und Leistungsfähigkeit durch bedeutende Gegenstände, hervorragende Persönlichkeiten oder außerordentliche Ereignisse. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe)

Selbst: Reflexivpronomen, welches die interne Beziehung eines grammatischen oder auch lebendigen Subjekts auf sich anzeigt, daneben in Kontexten, in denen ein automatischer Vorgang bezeichnet werden soll. In der Theoriesprache ist das Selbst auch als Nomen eingeführt worden, sofern eine Person sich theoretisch oder praktisch zum Gegenstand macht, oder auch in Kontexten, in denen die Selbstbezeichnung des reflektierenden Menschen thematisiert wird. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe)

Ekstase: Der Begriff Ekstase ist problematisch, da Ekstase als immanente innere Erfahrung keine Entsprechung in der äußeren transzendenten Welt besitzt. Ekstase ist selber eine Form der Kommunikation. (Knut Ebeling, Der Krieg im Kopf)

Ohne Schmerz verfallen wir in eine totale Indifferenz. Wir erkennen nicht mehr die belebende, beflügelnde Kraft des Schmerzes. (Byung-Chul Han)

Die Ethik der Leere unterbricht die Symmetrie von Aktion und Gegenaktion, von Tun und Gegenleistung. Sie macht auch eine reine Gabe möglich. (Byung-Chul Han)

Begeisterung allein ist nicht genug; man fordert die Begeisterung eines gebildeten Geistes. (Friedrich Schiller)

Fanatismus ist die Karikatur der Begeisterung. (Friedrich Löchner)

Eifer ist Begeisterung, gemildert durch Vernunft. (Blaise Pascal)

Verständnis des Schönen und Begeisterung für das Schöne sind eins. (Marie von Ebner-Eschenbach)

Da wo die Nüchternheit dich verlässt, da ist die Grenze deiner Begeisterung. (Friedrich Hölderlin)

Es gibt drei Arten heiliger Ekstase: eine des Verstehens, eine des Fühlens und eine der Tat; die eine im Glanz, die andere in Glut und die dritte im Werk; die erste vollzieht sich in der Bewunderung, die andere in Gottesnähe und die dritte im Tun. (Franz von Sales)

Entweder man übernimmt eine Lebensaufgabe, oder es kommt zur Selbstaufgabe. (Elisabeth Lukas)

Literatur: 
Georges Bataille (2017). Die innere Erfahrung. Berlin: Matthes & Seitz.
Knut Ebeling (2024). Der Krieg im Kopf. Meditieren mit Bataille. Berlin: Matthes & Seitz.
Byung-Chul Han (2025). Sprechen über Gott. Ein Dialog mit Simone Weil. Berlin: Matthes & Seitz)


Café DenkMal Philosophisches Café am 04. April 2025


Thema: Die Dekonstruktion des Religiösen

Dekonstruktion: Von Jacques Derrida unter Berufung auf Martin Heidegger entwickelte Arbeitsweise zur Interpretation von Traditionen des Denkens. Die Frage dabei lautet: Wie lässt sich etwas von der Tradition Unterschiedliches denken, wenn das eigene Denken selbst durch diese geprägt ist? Derrida sieht daher die mündliche Tradition als unbedenklicher als die schriftliche an, da sie mehr Interpretationsweisen bietet. Der Dekonstruktivismus nimmt an, dass tradierte Texte auch unsichtbare Spuren hinterlassen, welche in einer vielfältigen Interpretation aufgedeckt werden können. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe)

Religion, von lateinisch religio, abgeleitet von religere (wiederholt durchgehen) oder von religare (zurückbinden). Der Begriff erscheint im Deutschen zuerst 1517 statt des sonst geltenden Glaube, Bekenntnis. Im Allgemeinen meint der Begriff die Weltanschauung aus dem Glauben und die Lebensführung aus dem Verbundenheits-,  Abhängigkeits- und Verpflichtungsgefühl gegenüber Gott, Göttern, Geistern und anderen geheimnisvollen, haltgebenden und zu verehrenden obersten Mächten oder auch kosmischen Prinzipien. Als natürliche oder auch als Vernunft-Religion im Sinne der Aufklärung bezeichnet man auch eine Glaubenshaltung, die theoretisch nur von der Forderung eines moralischen Pflichtbewusstseins ausgeht. Im sonstigen Sprachgebrauch versteht man unter Religion die Überzeugung einer übernatürlichen Offenbarung. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe)

Kann man von Gott sprechen, ohne sich an Gott zu wenden?... Das Eigentümliche an „Gott“ besteht genau darin, dass er einen allgemeinen Namen zu einem Eigennamen erhebt und „den Gott“ als Kategorie des Seienden in der Singularität einer Person verschwinden lässt. (Jean-Luc Nancy) 

Der Name Gott, an den man sich wendet, oder von dem man spricht, ist nur scheinbar ein Eigenname, vielmehr ist er ein Platzhalter dessen, der keinen Namen haben kann. (Jean-Luc Nancy)

Die erste Demut ist es, weder „Gott“ noch seinen „Willen“ zu kennen… (Jean-Luc Nancy)

Der kritische Verstand hat nunmehr auch die Idee der Entmythologisierung entmythologisiert, insofern er auf den Spuren Nietzsches entdeckt hat, daß auch der Anspruch einer endgültigen Wahrheit, die frei von Mythen und von den Schleiern der Ideologie ist, einen Mythos und eine ideologische Repräsentation darstellt. (Gianni Vattimo)

Seit ich nichts mehr glaube, bin ich erst religiös geworden. (Friedrich Theodor von Vischer) 

Niemand ist weiter von der wahren Religion entfernt, als wer sich selbst für sehr religiös hält. (Erasmus von Rotterdam)

In jeder Religion ist der religiöse Mensch eine Ausnahme. (Friedrich Nietzsche)

Wir sind selbst für unser spirituelles Leben verantwortlich. (Dalia Lama)

Spirituelle Revolution heißt, dass wir die ständige Beschäftigung mit uns selbst aufgeben. (Dalai Lama)